Macht das nicht Google Übersetzer?

Kürzlich war ich auf der MedTech CoRe-Konferenz in Auckland, um mich über die neuesten Entwicklungen bei der Medizintechnologie in Neuseeland auf dem Laufenden zu halten. Networking war groß geschrieben und folglich saßen wir als Teilnehmer nicht nur nebeneinander in der Reihe, sondern an runden Tischen und mussten auch gemeinsam Aufgaben bearbeiten. Wie sich herausstellte, war ich neben den Medizinern, Doktoranden und Bioingenieuren die einzige Übersetzerin. Bei der Vorstellungsrunde am Tisch schoss mir dann auch prompt ein „Macht das nicht Google Übersetzer?“ entgegen.

Wahrnehmung des Übersetzerberufs in der Öffentlichkeit

In einen anderen Kontext versetzt hätte diese Frage auch lauten können: „Wie, Sie sind noch selbst gefahren? Hat Google Chauffeur Sie nicht hierhergebracht?“ Beide Softwares, Google Übersetzer und Google Chauffeur, gibt es. Allerdings sind sie noch nicht ausgereift, wodurch der ausgebildete Übersetzer und der Führerscheininhaber lieber die Finger davon lassen. Es ist nur so, dass mehr Menschen einen Führerschein besitzen als eine Übersetzerausbildung. Auch kommen weniger Menschen regelmäßig mit Fremdsprachen in Kontakt bzw. benötigen sie zum Verständnis oder gar der Vermarktung ihrer eigenen Produkte und Dienstleistungen.

Wie können Übersetzer die Wahrnehmung ändern?

Übersetzer sind häufig unsichtbar – und das ist auch gut so. Wenn ein übersetzter Text sich in der Zielsprache fließend liest und idiomatisch klingt, ist (neben einigen anderen Bedingungen) das Ziel in der Regel erreicht: Der Text liest sich nicht „übersetzt“. Nur findet sich auch der Name des Übersetzers (außer bei literarischen Übersetzungen und gelegentlichen anderen Veröffentlichungen) in der Regel nirgends. Woher soll der Leser also wissen, dass evtl. nicht Google Übersetzer diesen Text übersetzt hat, sondern ein Übersetzer mit jahrelanger Erfahrung und fundierter Ausbildung?

Die Verpflichtung liegt hier nicht bei der Leserschaft, sondern bei den Ausübenden des Berufs. Es hilft nichts, als Sprachapostel hinter dem Schreibtisch gegen einen Rechtschreibfehler oder eine maschinell übersetzte Website zu wettern. Stattdessen sollte der Übersetzer dort zu finden sein, wo auch seine Kunden sind, nicht nur auf Veranstaltungen unter seinesgleichen. Der Übersetzer muss die Bedürfnisse des Kunden kennen und eine Lösung in Form einer Dienstleistung anbieten, keine Moralpredigt. Unter Umständen können die Verkaufszahlen in anderen Ländern auch ohne Übersetzung stimmen oder das Unternehmen hat noch kein Budget für Übersetzungen übrig und muss sich zunächst mit einer maschinellen Übersetzung behelfen. Warum nicht auch eine Überarbeitung einer Maschinenübersetzung anbieten (Stichwort: Bedürfnisse erkennen)?

Natürlich gibt es genügend Kunden, die den Wert einer hochwertigen Übersetzung kennen und sie als äußerst wertvolle Investition schätzen, und an diese wenden wir uns gerne. Wenn wir allerdings die Wahrnehmung des Übersetzerberufs in der breiteren Öffentlichkeit verbessern möchten, müssen wir uns ab und zu unter unsere potenziellen Kunden mischen und unseren Service als Lösung für ihre Probleme anbieten.

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